hjp: wissenschaft: schnellkurs relativitätstheorie: teil 4

Spaet kommt sie, doch sie kommt: die vierte und vorletzte Folge des Schnellkurses. Wieder mit Verletzung der Netiquette: leider sind einige Bilder unvermeidbar. Da unser Newsserver neuerdings die Groesse der Nachrichten fuer nichtbinaere Gruppen zu beschraenken scheint, geht das ganze nur with a little help from Oliver Warzecha, der angeboten hat, diesen Teil in seinem Server zu posten. Leider wird sie dann im Magdeburger Server nicht erscheinen, aber man sollte sie ohne weiteres z.B. bei news.uni-stuttgart.de oder lisa.rz.hu-berlin.de lesen koennen.

Die letzte - kuerzere - Folge geht dann hoffentlich ohne Bilder. Mal sehen.

Wie ich das einigen von euch angebotene nochmalige Posten aller Teile (so dass sie alle an einem Tag vorhanden sind) machen werde, weiss ich noch nicht.

Bild bell

Bevor es im Text weitergeht, kommt hier die versprochene Aufloesung des Bellschen Raumschiffparadoxons. Wenn man die Lorentz-Kontraktion als "real" ansieht, ist die Sache eigentlich klar: ein nicht auf Zug beanspruchtes Seil wird sich verkuerzen, wenn es in Bewegung gesetzt wird. Die Gleichgewichtslaenge des Seils ist also geringer als im Ruhezustand. Haelt man es durch die beiden Raumschiffe auf einer festen Laenge (s. Bild bell), so wird es unter Zugspannung stehen und wenn diese zu gross wird, muss es schliesslich reissen.

Insbesondere bedeutet das, dass das Hookesche Gesetz im Rahmen der Relativitaetstheorie zu modifizieren ist. Denn es besagt ja, dass elastische Spannungen nur auftreten, wenn man das Objekt deformiert. Hier aber bleibt das Seil gleich lang, und es treten trotzdem Spannungen auf. Die Modifikation des Hookeschen Gesetzes, die noetig ist, um es relativistisch invariant zu machen, hat schon kurz nach der Einfuehrung der speziellen Relativitaetstheorie ein gewisser Herr Gron vorgestellt. (Der hat auch noch andere schoene Sachen gemacht, etwa beschrieben, wie die Welt auf einer rotierenden Scheibe aussieht.)

Die Frage, ob und warum das Seil reisst, sollte sich aber auch aus der Sicht des Seils vernuenftig beantworten lassen. Schauen wir uns deshalb das Bild noch ein wenig genauer an. Gruen sind die Weltlinien der beiden Raumschiffe gezeichnet. Die beiden Raumschiffbildchen und die magentafarbene Linie geben die Positionen der Raumschiffe und des Seils zu einem herausgegriffenen Zeitpunkt an, wie sie der Inertialbeobachter beschreiben wuerde, der im schwarzen Koordinatensystem lebt.

Fuer das Seil gibt es, da es sich um ein ausgedehntes beschleunigtes Objekt handelt, gar kein einzelnes Bezugssystem. Jeder Punkt des Seils hat sein eigenes Bezugssystem. Gleichzeitigkeit fuer ein beschleunigtes System festzulegen, ist keine triviale Aufgabe. Die naheliegendste Loesung besteht darin, zu sagen, dass fuer den beschleunigten Punkt als gleichzeitig gilt, was fuer einen sich am selben Ort befindenden Beobachter gleichzeitig ist, der sich mit einer konstanten Geschwindigkeit bewegt, die mit der momentanen Geschwindigkeit des Punktes uebereinstimmt. Betrachten wir der Einfachheit halber den hinteren Befestigungspunkt des Seils. Die Zeitachse (ct') fuer diesen Punkt ist die Tangente an seine Weltlinie, die Raumachse (x'), welche Gleichzeitigkeit festlegt, erhaelt man durch Spiegelung an einer lokalen Lichtweltlinie (die ja die Winkelhalbierende der Zeit- und Raumachse sein muss). Die magentafarbene Flaeche ist die "Weltflaeche" des ausgedehnten Objekts Seil. Und nun ist es offenbar, dass fuer den hinteren Endpunkt des Seils der vordere Endpunkt sich dort befindet, wo die x'-Achse die Weltlinie des Seilvorderendes schneidet (rechte gruene Kurve). Das Seil liegt also entlang der x'-Achse. Wir koennen auch ohne Konstruktion von Massstabshyperbeln sehen, dass das eine Verlaengerung des Seils bedeutet. Denn die Geschwindigkeit des vorderen Raumschiffs (und damit auch des Seilvorderendes) ist am Schnittpunkt der x'-Achse mit seiner Weltlinie groesser als die des hinteren am Schnittpunkt der x'-Achse mit dessen Weltlinie. (Die Weltlinie am vorderen Schnittpunkt ist flacher als die am hinteren.) Das heisst aber, dass vom hinteren Raumschiff aus gesehen die Geschwindigkeit des vorderen immer weiter anwaechst, der Abstand der beiden Raumschiffe ist eben nicht konstant, sondern nimmt zu. Damit wird das Seil gespannt und muss schliesslich reissen.

Nachdem wir nun das Bellsche "Paradoxon" zu aller Zufriedenheit geloest haben, wollen wir uns mit den Implikationen von Tachyonenpistolen und anderen Mitteln der Ueberschreitung der Lichtgeschwindigkeit befassen. Wir werden sehen, dass das zu tun hat mit der Frage der Kausalitaet.

4. Kausalitaet

Obwohl in der Physik Kausalitaet oft direkt mit der zeitlichen Reihenfolge von Ereignissen verknuepft wird, ist es nicht opportun, eine Definition von Kausalitaet auf diese Reihenfolge zu stuetzen. Denn man kann sich ja durchaus Zeitreisen vorstellen, die nicht mit einem Paradoxon verknuepft sind. Macht man den Kausalitaetsbegriff an der zeitlichen Reihenfolge fest, hat man mit jeder Zeitreise eine Verletzung der Kausalitaet, kann also kaum Aussagen ueber Moeglichkeit oder Unmoeglichkeit aus einer Verletzung des Kausalitaetsprinzips ableiten. (Die Unmoeglichkeit waere bloss postuliert, nicht erwiesen.)

Deshalb benuetze ich hier eine Definition von Kausalitaet, die die zeitliche Reihenfolge von Ereignissen offenlaesst. Wir sagen, dass zwischen zwei Ereignissen A und B (wobei Ereignisse jetzt zeitlich lokalisierte Vorgaenge sind) ein Kausalzusammenhang besteht, wenn die Verhinderung eines der Ereignisse, nehmen wir an, dies sei A, zur Folge hat, dass auch das andere, in unserem Fall also B, nicht stattfindet. Wir nennen dann A (eine) Ursache von B. (B kann natuerlich auch mehrere Ursachen haben.) Als Kausalitaetsprinzip bezeichnen wir dann die Asymmetrie der Beziehung zwischen A und B: wenn A Ursache von B ist, kann B nicht Ursache von A sein. Die Verhinderung von B wuerde auf A keinen Einfluss haben. B nennt man Wirkung.

Mathematisch gesehen, erzeugt die Kausalitaet auf der Menge der Ereignisse eine sogenannte Halbordnung. Ereignisse muessen nicht in kausalem Zusammenhang stehen, aber wenn sie es tun, kann man sie aufgrund des Zusammenhangs in eine Reihenfolge bringen, indem man immer die Ursache vor der Wirkung anordnet (ueblicherweise stimmt diese Reihenfolge mit der zeitlichen Reihenfolge ueberein). Eine solche Folge von Ereignissen wuerde man Kausalkette nennen. Offensichtlich ist in einer Kausalkette (A B C ... X) das Ereignis A Ursache aller folgenden Ereignisse, B Ursache aller Ereignisse ausser A, usw..

Das hier beschriebene Kausalprinzip stimmt mit unserer Alltagserfahrung ueberein (man wird sich schwer tun, Beispiele von Ursache-Wirkung-Beziehungen zu finden, wo die Wirkung die Ursache veraendert) und ist deshalb plausibel. Es gilt auch in der Quantenmechanik noch, weil es hinreichend schwach formuliert ist. Die in der Quantenmechanik auftretende Kausalitaetsverletzung hat mit einem staerkeren Kausalprinzip zu tun, das etwa behaupten wuerde, dass jedes Ereignis auch tatsaechlich Ursachen hat, die es vollstaendig bestimmen (was in der Quantenmechanik nicht gilt).

Wenn nun das Kausalprinzip gilt, so sind sogenannte *kausale Schleifen* unmoeglich. Eine kausale Schleife ist eine Kausalkette, die dasselbe Ereignis X zweimal enthaelt. Sie waere also von der Form (A B ...X ...U V W ... X). Damit aber ist X gleichzeitig Ursache der Ereignisse U V W und wird von ihnen verursacht, was dem Kausalprinzip widerspricht. Ebenso unmoeglich sind kausale Schleifen der "zweiten Art", in denen sowohl X als auch ^X ( "nicht X") auftreten (die logische Struktur wuerde uns hier nicht zwingen, von Schleifen zu reden, da X und ^X nicht identische Ereignisse sind; aber der Raumzeitpunkt, der X bzw. ^X zuzuordnen ist, ist derselbe, deshalb ist der Begriff Schleife auch hier sinnvoll).

Die ueblichen Zeitparadoxa vom Typ "Mensch reist in die Vergangenheit und toetet seinen Vater" entsprechen kausalen Schleifen der zweiten Art.

Eine kausale Schleife der ersten Art waere etwa bei der "Erschaffung von Gegenstaenden durch Zeitreise" gegeben. Beispiel: ein Zeitreisender besucht seinen Urahn und uebergibt ihm die Plaene fuer die Zeitmaschine, woraufhin der sie baut. Hier ist das Ereignis X, die Zeitreise, sowohl Ursache als auch Wirkung des Ereignisses Y, Bau der ersten Zeitmaschine. Auf den ersten Blick hat man hier keinen Widerspruch, kein Paradox. Aber natuerlich ist das Kausalprinzip verletzt. Und man kann offensichtlich die Frage nicht beantworten, wohler denn nun wohl die Plaene der Zeitmaschine eigentlich kamen. Dass das ganze problematisch ist, sieht man, wenn man sich vorstellt, dass die zurueckgeschickten Plaene identisch mit denen sind, die zum Erstbau verwendet wurden. Wie steht es dann mit dem Alter des Papiers? Da die Plaene von ihrer Benuetzung zum Bau der Maschine bis zum Zurueckschicken in die Vergangenheit jedesmal um die gleiche Zeitspanne altern, muss das Papier unendlich alt sein... (es sei denn, es wuerde bei der Rueckkehr in die Vergangenheit wieder " juenger", was aber andere Probleme hervorriefe).

Gilt also das Kausalprinzip, sind kausale Schleifen in Strenge unmoeglich. Das ist eine Konsequenz der Logik und hat nichts mit speziellen physikalischen Gesetzen zu tun. Umgekehrt: sollte es doch kausale Schleifen geben, so kann das Kausalprinzip nicht gelten. (Interessanterweise laesst die allgemeine Relativitaetstheorie Loesungen fuer die Metrik der Raumzeit zu, in denen kausale Schleifen moeglich sind. Will man diese Loesungen ausschliessen, muss man also ueber die Grundgleichungen der allgemeinen Relativitaetstheorie hinausgehende Forderungen an die Loesung stellen.)

Eine Moeglichkeit, Zeitreisen zu erlauben, aber kausale Schleifen auszuschliessen, bestuende etwa darin, anzunehmen, dass die Zeit mehrdimensional ist. Zweidimensional genuegt schon. Man wuerde sich dann nach einer Zeitreise in die Vergangenheit auf einem "Parallelstrang" zum ueblichen Zeitstrom bewegen, auf dem man voellige Handlungsfreiheit haette. Die eigene urspruengliche Gegenwart bliebe unbeeinflusst. Manche Geschehnisse in der Perry-Rhodan-Serie, die ansonsten raetselhaft blieben, lassen sich so noch mit Sinn erfuellen, etwa die Vorstellung, dass ein Objekt, das sich "dauerhaft" 5 Minuten in der Zukunft befinde, nicht zugaenglich sei (bei einer eindimensionalen Zeit wuerde es einfach nach 5 Minuten wieder auftauchen, ob dauerhaft 5 Minuten in der Zukunft oder nicht). Oder auch die "Beseitigung" der PAD-Seuche per Zeitparadox. (Man muss sich allerdings klarmachen, dass der Perry Rhodan der ersten Handlungsebene nichts davon hatte. Die PAD-Seuche wurde nur auf dem Parallelstrang beseitigt, die erste Handlungsebene muss als verloren angesehen werden. Wenigstens, solange man auf Logik besteht...)

Wie steht es nun mit der Kausalitaet in der speziellen Relativitaetstheorie, in der die Zeit eindimensional vorausgesetzt wird? Wir haben schon gesehen, dass unsere mit Tachyonenpistolen ausgeruesteten Duellanten das Kausalprinzip verletzen wuerden. (Allerdings liegt in diesem Beispiel keine einfache Kausalschleife vor, eher eine Wechselwirkung zweier sich gegenseitig ausschliessender Schleifen. Man koennte eine einfache Schleife erzeugen, indem man annimmt, dass einer der beiden Duellanten, z.B. Alf, zu betruegen versucht, indem er vor Sekunde 6 schiesst. Er trifft dann Bert bei dessen Sekunde 3.6 in den Ruecken. Aber Bert, empoert ueber den Betrug, schafft es noch, sich herumzuwerfen und zurueckzuschiessen. Er trifft Alf toedlich, bei dessen Sekunde 2.16 und verhindert damit, dass Alf schiessen kann. Dann aber wird er nicht bei Sekunde 3.6 getroffen, schiesst also nicht eher als vorgesehen, also ueberlebt Alf bis Sekunde 6, also kann Alf schiessen, usw.)

Zu zeigen bleibt, dass ohne ueberlichtschnelle Signale eine Kausalstruktur moeglich ist und wie diese aussieht. Im Fall der Newtonschen Mechanik ist die Kausalstruktur extrem einfach: solange zwei Ereignisse nicht gleichzeitig sind, koennen sie in einem Kausalzusammenhang stehen und das fruehere Ereignis muss dann die Ursache sein, das spaetere die Wirkung (Zeitreisen waeren auch bei Newton problematisch).

Bild lorentzkaus

In der Relativitaetstheorie ist ein kausaler Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen nur dann moeglich, wenn ihre zeitliche Reihenfolge beobachterunabhaengig ist. Das bedeutet, dass, wenn man eines der Ereignisse in den Koordinatenursprung setzt, sich das andere im Vorwaerts- oder Rueckwaertslichtkegel befinden muss. Das ist im Bild lorentzkaus dargestellt. A ist unser zu untersuchendes Ereignis. B_1 befindet sich im Vorwaertslichtkegel, B_2 im Rueckwaertslichtkegel von A. B_1 koennte eine Wirkung von A sein, B_2 eine Ursache. Da der bei (x,t)=(0,0) zentrierte Lichtkegel fuer einen beliebigen relativ zu A bewegten Beobachter derselbe ist, sind sich alle Beobachter darueber einig, dass die Moeglichkeit eines kausalen Zusammenhangs zwischen A und B_1 bzw. B_2 besteht, ebenso darueber, dass B_1 nur Wirkung, B_2 nur Ursache von A sein kann. Man sagt in diesem Fall, dass A und B_1 bzw. A und B_2 zeitartig zueinander liegen. Ein Ereignis, das auf dem Lichtkegel von A liegt (auf den roten Linien), kann auch noch in kausalem Zusammenhang mit A stehen. In diesem Grenzfall spricht man von lichtartiger Lage der beiden Ereignisse. Das Ereignis B_3 hingegen liegt ausserhalb des Lichtkegels von A. Eine solche Lage bezeichnet man als raumartig. Ereignis B_3 koennte von A nur beeinflusst werden, wenn es ueberlichtschnelle Signale gaebe. In dem Fall waere aber fuer den blauen Beobachter die zeitliche Reihenfolge entgegengesetzt zur Ursache-Wirkungs-Folge. Man kann dann durch geeignete Wahl einer Folge von Bezugssystemen eine raumartige Schleife aus jeweils zukunftsgerichteten Bahnen konstruieren -- ein Problem fuer die Kausalitaet.

Die Schlussfolgerung ist, dass Objekte und Signale sich eben nur auf zeitartigen, bestenfalls lichtartigen Bahnen bewegen koennen (d.h. Bahnen, bei denen zwei infinitesimal voneinander entfernte Punkte zeitartig bzw. lichtartig zueinander liegen).

Bild schatten

Das heisst nicht, dass es "nichts" gaebe, was sich schneller als das Licht bewegt. Schatten zum Beispiel koennen sehr leicht schneller als das Licht sein. Das demonstriert das Bild schatten. Das grosse gelbe Etwas am oberen Bildrand soll der Mond sein. Auf der Erde haben wir eine kleine schwarze Kugel (kaum sichtbar) und einen Laser, der diese schoenen magentafarbenen Strahlen aussendet, so dass der Schatten der Kugel auf den Mond faellt (oben links und oben rechts). Dann wird der Laser schnell um einen kleinen Winkel um das Zentrum der Kugel gedreht, so dass der Schatten vom linken Mondrand zum rechten wandert. Wie schnell koennen wir ihn kriegen? Nehmen wir an, dass der Laser 1 m von der Kugel entfernt ist. Der Winkeldurchmesser des Mondes von der Erde aus gesehen ist 30 Bogenminuten; wenn wir also den Schatten ueber den ganzen Mond wandern lassen wollen, muessen wir den Laser um 30' drehen. Die Strecke, um die er dabei wandert, betraegt 100 cm 6.28 30/(60*360) = 0.87 cm. Wenn wir die Drehung in einer Tausendstel Sekunde bewerkstelligen wollen, muessen wir dem Laser also eine Geschwindigkeit von 8.7 m/s = 31.4 km/h verleihen, was vielleicht nicht einfach ist, aber durchaus machbar. In derselben Zeit (wenn auch um etwa eine Sekunde versetzt), bewegt sich der Schatten auf dem Mond ueber dessen Durchmesser, also rund 3400 km. Das macht eine Geschwindigkeit von 3400 km * 1000/s = 3.4 Millionen km/s, etwa 10fache Lichtgeschwindigkeit. Natuerlich braucht das Licht des Lasers von der Erde zum Mond mehr als eine ganze Sekunde (die Entfernung ist im Mittel 384 000 km), aber die braucht es fuer beide Extrempositionen des Schattens, der also tatsaechlich in einer 1000stel Sekunde ueber den ganzen Mond wandert. Und natuerlich kann man das nicht zum Transport von Nachrichten zwischen den beiden Schattenpositionen verwenden. Man kann es allerdings zum Synchronisieren ausnuetzen. Nehmen wir an, die Amerikaner haetten zwei Mondstationen oben und wollten Ihren Nationalfeiertag mit (vakuumtauglichem) Feuerwerk in beiden simultan begehen. Dann koennte man das von der Erde aus mit einem solchen Laser bewerkstelligen. Dass keine Nachrichtenuebertragung auf dem Mond stattfindet, sieht man leicht, wenn man sich vorstellt, dass die "boesen" Russen das harmlose Vergnuegen der Amerikaner stoeren wollen und den linken Schatten mit einem gleichartigen Laser ableuchten. Dann kommt der rechte immer noch an, und die Feuerwerksraketen gehen nur an einer Stelle hoch, denn es gibt keine Moeglichkeit fuer die Bewohner der linken Station, die der rechten rechtzeitig zu informieren, dass sie keinen Schatten gesehen haben.

Statt Schatten kann man natuerlich auch einfach den Lichtfleck nehmen, den der Laser macht. Der wandert auch ueberlichtschnell ueber den Mond.

Was hier passiert, ist einfach, dass wir mental Entitaeten zu einem "Objekt" zusammenfassen, das tatsaechlich kein Objekt ist. Natuerlich ist jeder einzelne Schatten oder Lichtfleck objektiv da, also durchaus ein Objekt. Aber die verschiedenen Schatten an verschiedenen Orten auf dem Mond sind eigentlich nicht dasselbe Objekt sondern verschiedene Objekte, die kausal nicht miteinander zusammenhaengen, obwohl sie natuerlich dieselbe Ursache haben (den Laser auf der Erde). (Kausaler Zusammenhang ist hier in dem oben erklaerten Sinn gemeint.) Ein vielleicht noch verblueffenderes Beispiel: Es ist moeglich, ein Tuch mit einer geeigneten Schere ueberlichtschnell durchzuschneiden. Dabei wandert der Schnittpunkt der beiden Schneiden mit Ueberlichtgeschwindigkeit durch das Tuch. Allerdings sollte man dazu keine Schere nehmen, die auf der Hebelwirkung um einen Angelpunkt beruht. Denn die Wirkung, die von diesem Punkt ausgeht, kann sich nicht schneller als das Licht zur Spitze der Schere fortpflanzen, was bedeutet, dass diese in der Naehe des Angelpunktes schon zu schneiden beginnt, bevor die Spitze sich ueberhaupt bewegt. Die Schneide muss sich in diesem Fall also biegen. Besser ist es, die Schere aus zwei nichtzusammenhaengenden Scherblaettern zu machen, die von synchronisiert gezuendeten Raketen angetrieben werden, so dass sich die gesamte Schneide zu einem Zeitpunkt beginnt, parallel zu verschieben. Wenn man den Winkel phi zwischen den Scherblaettern klein genug macht, kann man offenbar jede Schnittgeschwindigkeit erreichen, denn der Schnittpunkt bewegt sich mit der Geschwindigkeit v/sin(phi), wenn eines der Scherblaetter ruht und das andere sich senkrecht zu seiner eigenen Richtung mit Geschwindigkeit v ( < c) bewegt (parallelverschiebt). Der Fall phi = 0 ist besonders transparent: dann sind die Scherblaetter parallel und die Schnittgeschwindigkeit ist exakt unendlich, da alle Teile des Tuches entlang der Schnittlinie zum selben Zeitpunkt durchtrennt werden. (Natuerlich ist fuer einen anders bewegten Beobachter die Schnittgeschwindigkeit nicht unendlich, da er eine andere Gleichzeitigkeit hat. Woraus man folgern kann, dass fuer ihn die Scherblaetter nicht parallel sind... Ueberlichtschnell ist diese Geschwindigkeit aber fuer jeden Beobachter.) Man erkennt wieder, dass das Durchschneiden des Tuches an einem Ort nichts mit dem an einem anderen zu tun hat, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen existiert.

Aehnliche Erklaerungen gibt es fuer eine Vielzahl moeglicher ueberlichtschneller Bewegungen, denen allen gemeinsam ist, dass keine Energie und keine Information transportiert werden. Das gilt zum Beispiel auch (trotz teilweise anderslautender Behauptungen) fuer das Quantentunneln, das als Mittel des ueberlichtschnellen Transports durch die Presse ging und sehr leicht mit vergleichbaren Ueberlegungen verstanden werden kann.

Nicht leicht zu verstehen sind hingegen die Quantenkorrelationen, die mit der Verletzung der *Bellschen Ungleichungen* verknuepft sind und Moeglichkeiten wie das "Teleportieren" eines Quantenspins implizieren. Ich glaube, dass dies bisher niemand wirklich versteht. Obwohl man es natuerlich berechnen kann.

Doch nun zurueck zur Relativitaetstheorie und ihren Auswirkungen auf ein Universum, in dem ueberlichtschnelles Reisen moeglich sein soll. Das bringt mich zur bereits erwaehnten Perry-Rhodan-Geschichte.

5. Das Attentat auf Perry Rhodan


Bild perry

Die Geschichte habe ich schon einmal erzaehlt, aber ohne sie mit einem Raum-Zeit-Diagramm zu unterstuetzen. Das geschieht nun mit dem Bild perry. Das dunkelblaue Koordinatensystem sei das Bezugssystem der Sonne und auch das eines Asteroiden (der schwarze Brocken), der dann natuerlich relativ zu ihr ruht. Er sei 10000 Lichtjahre entfernt. Die sinusfoermige Linie ist die Projektion der Weltlinie der Erde auf die xct-Ebene. Sie ist nicht massstabsgerecht gezeichnet, weil man sie sonst auf der Skala von 10000 Lichtjahren, die der Entfernung zum Asteroiden entspricht, nur als geraden Strich saehe, der sich mit der ct-Achse deckt. Allerdings habe ich darauf geachtet, dass die Topologie der Zeichnung trotz der Massstabsverletzungen korrekt bleibt und auch die Metrik so weit als moeglich stimmt. Die gruene Rakete stellt Perry Rhodans Raumschiff dar, das von der Erde zu einem Zeitpunkt abfliegt, wo sich diese in Richtung auf den Asteroiden zu bewegt (Koordinatenursprung). Das Bezugssystem der Erde ist dann das x'ct'-System. Seine Geschwindigkeit relativ zu dem der Sonne ist die Geschwindigkeit der Erde um die Sonne, also 30 km/s. Fliegt Rhodans Raumschiff in Nullzeit (oder sehr kurzer Zeit, etwa 1 Tag) bezueglich dieses Bezugssystems zum Asteroiden, so bewegt es sich (praktisch) entlang der x'-Achse. Die Steigung der x'-Achse im xct-System ist v/c, also (30km/s)/(300000km/s) = 1/10000. Da der Asteroid 10000 Lichtjahre entfernt ist, schneidet die x'-Achse seine " Weltlinie" (der gestrichelt begrenzte graue Korridor) bei ct = 1 Lichtjahr, die Erde hat inzwischen die Sonne einmal umkreist (eine Schwingung des Sinus). Im System der Sonne (und des Asteroiden) hat Perry Rhodans Flug also ein Jahr gedauert.

Nun wird Rhodan auf dem Asteroiden ueberfallen und umgebracht. Es gelingt ihm aber, noch einen Hypernotruf abzusetzen. Der bewegt sich, im System xct (das ja auch das des Asteroiden ist) in (beinahe) Nullzeit zur Erde, kommt dort also ein Jahr nach Rhodans Abflug an. Das Signal habe ich nur deshalb so gezackt gemalt, damit es interessanter aussieht. Seine Weltlinie soll einfach eine Parallele zur x-Achse sein.

Atlan ruestet nun ein Rettungsteam aus. Er laesst sich aber Zeit, denn er weiss, dass der Bewegungszustand der Erde fuer einen sofortigen Start unguenstig ist. Floege er naemlich gleich los, braeuchte er ebenso wie Rhodan ein Jahr relativ zum Bezugssystem der Sonne, denn die Erde bewegt sich ja gerade wieder auf den Asteroiden zu (x'ct'-System relevant). Also wartet er ein halbes Jahr. Da geht die Erde vom Asteroiden weg, und ihr Bezugssystem ist das x"ct" -System. In dem fliegt Atlan volle Pulle, seine Weltlinie ist also praktisch die x"-Achse, die eine Steigung von -1/10000 hat. Er kommt also im System der Sonne gemessen ein Jahr vor seinem Abflug an. Da das auch das System des Asteroiden ist, erreicht er diesen also ein halbes Jahr vor Rhodans Ankunft, genuegend Zeit, um den zu retten.

Wir haben dabei nichts darueber gesagt, wie der ueberlichtschnelle Flug vor sich geht. Ob Hyperraum, Linearraum, Sextadim- oder Sonstwas- Halbspur, ist voellig egal. Entscheidend ist, dass die Anfangs- und Endpunkte der Reise so liegen, dass die mittlere Geschwindigkeit deutlich groesser als die Lichtgeschwindigkeit ist (z.B. 10000 Lichtjahre/Tag). Insofern kann man aus der Gueltigkeit der speziellen Relativitaetstheorie folgern, dass entweder kausale Schleifen moeglich sind, das Kausalitaetsprinzip also verletzt ist, oder aber solche ueberlichtschnellen Reisen eben unmoeglich. Ich hatte in der Diskussion damals betont, dass dies bereits aus der Gueltigkeit der speziellen Relativitaetstheorie bei Unterlichtgeschwindigkeit folge. Das ist natuerlich eine fahrlaessige Formulierung. Man kann gar nicht zwischen der Gueltigkeit in verschiedenen Geschwindigkeitsbereichen trennen. Die Relativitaetstheorie ist eine Theorie der Struktur der Raumzeit. Wenn diese Struktur richtig ist, dann kann man die erwaehnten Schlussfolgerungen ziehen. Die Richtigkeit der Struktur der Raumzeit hat aber nichts mit den Geschwindigkeiten zu tun, mit denen ein Reisender seinen Aufenthalt an verschiedenen Orten in ihr verbindet, solange er sich nur in ihr befindet (wobei er sich zwischen den Aufenthalten befinden kann, wo er will, auch ausserhalb der Raumzeit). Die einzige Geschwindigkeit, die explizit in die Berechnungen der Perry-Rhodan-Story eingeht, ist die Geschwindigkeit der Erde auf ihrem Umlauf um die Sonne.

Rene Haustein hat eingewandt, dass die Verletzung der Kausalitaet in meinem Beispiel durch die Nachricht geschehe, die Rhodan sendet. Diese Nachricht ginge bereits in die Vergangenheit. Nun, man sieht dem Bild an, dass es im Bezugssystem der Sonne und des Asteroiden beileibe nicht so ist. Vergisst man die Zickzackdarstellung der Zeichnung, so ist klar, dass diese Nachricht ohne weiteres "ein bisschen" in die Zukunft gehen kann (bis zu einem halben Jahr), ohne dass sich an den Konsequenzen etwas aendert (wir haben der Einfachheit halber Transport in Nullzeit angenommen). Dass Atlan relativ zur Sonne in die Vergangenheit fliegt, ist unabhaengig von der Nachricht. Ja, man koennte die Nachricht in der Geschichte weglassen und Atlan nur aufgrund der Eingebung fliegen lassen, dass er vor Rhodans Ankunft auf dem Asteroiden noch etwas vorbereiten will. Das Ergebnis waere das gleiche.

Diese Argumentation ist nur dagegen gerichtet, die Nachricht als das eigentlich akausale Element in der Kette zu sehen. Genausogut kann man Atlans Flug als solches betrachten. Zur Erzeugung einer kausalen Schleife sind vier Weltlinien noetig: die des Asteroiden zwischen Atlans und Rhodans Ankunft, die der Nachricht, die der Erde zwischen Ankunft der Nachricht und Atlans Abflug und die von Atlan. Und man kann nicht sagen, dass die von Atlan oder die der Nachricht allein fuer die Schleife verantwortlich sei, weil das Weglassen jedes dieser Stuecke die Schleife zerstoert.

Wenn man ohne Nachricht keine kausale Schleife hat, dann sollte man annehmen, dass es in diesem Fall eine " harmlose" Interpretation der Ereigniskette gibt. Das ist auch so. Fuer den Beobachter im gruenen Koordinatensystem x'''ct''', der sich etwas schneller nach links bewegt als die Erde bei Atlans Abflug, liest sich die Ereignisfolge einfach so: Rhodan fliegt Richtung Asteroid, aber recht langsam, Atlan (ahnungslos) startet anderthalb Erdumlaeufe spaeter und fliegt eben viel schneller als Rhodan, weshalb er deutlich frueher als dieser ankommt. Fuer diesen gruenen Beobachter waere natuerlich die Existenz von Rhodans Nachricht ein ziemliches Aergernis, weil es seine ganze Interpretation kaputt macht. Insofern ist die Moeglichkeit des Sendens einer Nachricht wichtig fuer die Konstruktion eines Zeitparadoxons, nicht aber fuer die Frage, ob Atlan in die Vergangenheit fliegt. Das tut er auch ohne Zeitparadoxon im Bezugssystem des Asteroiden.

Der Perry-Rhodan-Kosmos funktioniert natuerlich nicht so. Da wird implizit eine universelle Zeit fuer alle Zivilisationen des Universums angenommen. (Zum Beispiel wird in "Wenn Welten verstummen", Nr. 1941, beschworen, wie schlimm es waere, wenn Jii'Nevever zwischen zwei Galaxien hin und herhuepfen koennte, weil damit ein gleichzeitiger Angriff auf beide ihre Basisplaneten praktisch unmoeglich gemacht wuerde. Vom Standpunkt der speziellen Relativitaetstheorie aus ist das absurd, da die Gleichzeitigkeit beobachterabhaengig ist und bei einer Entfernung der Galaxien von Millionen von Lichtjahren fuer verschiedene Beobachter auch um Millionen Jahre differieren kann.) Allerdings kann man es sich wegen der damit verbundenen Komplexitaet auch nicht leisten, ihn so funktionieren zu lassen.

In der letzten Folge des Kurses werde ich auf Peter Holzers Einwaende eingehen, die tatsaechlich eine Moeglichkeit aufzeigen, sich doch einen solchen Kosmos vorzustellen, ohne dass die Vorhersagen der speziellen Relativitaetstheorie zum Ausgang von Experimenten angetastet werden. Allerdings wuerde diese Moeglichkeit bedeuten, dass das Relativitaetsprinzip und damit die Aussagen der Relativitaetstheorie zur Struktur der Raumzeit falsch sind (und das seltsamerweise bei richtiger Beschreibung der Physik fuer Unterlichtgeschwindigkeiten).


Klaus Kassner
Institut fuer Theoretische Physik / Computerorientierte Theor. Physik
Otto-von-Guericke-Universitaet Magdeburg
Postfach 4120 / D-39016 Magdeburg
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